Abgesang aus vollen Rohren
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Einzel-Homologierungen erfolgten vor und auch nach der Produktionseinstellung. Bis 1976 wurde tatsächlich nahezu alles verändert, was das Reglement eben noch zuließ (wobei beispielsweise die 50 mal hergestellte Motorhaube mit den zwei Zusatzscheinwerfern und Lufteinlässen, die bei Renneinsätzen meist erst nachts zum Einsatz kam, schon 1975 eingesetzt wurde). Wichtigste Maßnahme war aber zweifelsohne der Abarth-Vierventilkopf, der auch im Lancia Beta-Werksrenner und im besagten Abarth 019 eingesetzt werden sollte. Er war zwar bereits im März 1974 FIA-homologiert worden, kam aber erst im Oktober 1974 bei der Ronde Cevenole unter Pinto / Bernacchini zum Einsatz - und landete auf Platz vier.

Das mit 11:1 verdichtete Triebwerk mit noch größeren Ansaugquerschnitten und verbesserter Feinwuchtung von Kurbel- und Ventiltrieb erreichte in Verbindung mit den Weber-Doppelvergasern 48 IDF stolze 205 PS bei 8000 Umdrehungen! Beeindruckend war auch der flache Drehmomentlauf: 18,5 mkg bei 3500 U/Min; 21,2 mkg bei 4200; 23,3 bei 5000; 25,3 mkg bei 6000 und schießlich maximal 26,9 mkg bei 6600 U/Min! Neu waren das Abarth- statt des Colotti-Fünfganggetriebes (Abarth-Untersetzungen 2,706 - 1,973 - 1,551 - 1,238 - 1,0) und die Borg & Beck-Kupplung.

Die Leistungsspitze markierten schließlich die 16ventiligen Zweiliter-Einspritzer von 1975. Mit der mechanischen Kugelfischer-Einspritzanlage - die erstmals schon Ende 1973 getestet wurde und damals zu einer Leistungssteigerung auf 190PS verholfen hatte - und übergroßen Ansaugtrichtern kamen diese 124er-Hochleistungsversionen auf 210 bis 215 PS. Zusätzliche Lufteinlässe und ein anders gestaltetes Armaturenbrett ließen dieses Auto aus der "Masse" der Abarth Rally herausstechen - wobei die Farben der Wettbewerbsautos identisch mit denen des Jahres 1974 waren. Erstmals eingesetzt wurde der so erstarkte CSA durch das siegreiche Team Verini/Russo bei der Rally San Remo im Oktober 1975. Der anschließend folgende achte Platz bei der RAC Rally durch das gleiche Team war natürlich kein Ruhmesblatt.

Ende des Jahres schwang sich der bei einigen Rally's startende 16-Ventiler gar bis zu 210 PS bei 8000 Touren auf! Rally racing empfand dieses Aggregat als deutlich kultivierter als den früheren 8-Ventiler. Überhaupt diente das 124er-Chassis nun vorallem als Versuchsträger für diverse Fiat-131-Aggregate. Aber auch die Schwachpunkte kamen klar zum Vorschein: Zu oft überhitzende Stoßdäpfer und Bremsen sowie die Beschränkung des Fahrwerk-Tunings durch die hintere Einzelrad-Aufhängung, die ein weiteres Tieferlegen unmöglich machte. Ende 1974 / Anfang 1975 bekamen die Werks-Renner hinten sogar Doppel-Stoßdämpfer spendiert, erkennbar an den noch weiter herausgezogenen Kotflügeln mit den großen Lufteinlässen.

1975 hatte der Wahnsinn im Hause Fiat seinen Höhepunkt erreicht: Sandro Munari (früher auf der Fulvia erfolgreich) und Mario Manucci siegten bei der nun wieder ausgetragenen Rally Monte Carlo auf dem kompromißlosen 240 PS starken Gruppe-4-Stratos vor Mikkola / Todt (4 Minuten Rückstand auf den Überlegenen Sieger). Alen / Kivimäki und Bacchelli / Scabini, alle auf dem 205 bis 210 starken 16-Ventiler Abarth Rally.

Erstmals hatten hier einige Rennställe - darunter Fiat - Funkverbindungen zwischen Team und Besatzung eingerichtet. Aber: Gleichzeitig auf zwei heißblütige Rennpferde zweier Marken zu setzen, hätte die Turiner normalerweise 1,25 Millionen kosten müssen, wobei lediglich eine halbe Million davon auf Lancia entfiel.

Diese Kosten trug jedoch Hauptsponsor Alitalia. Eigentlich hätte man inzwischen auch erkennen müssen, dass der Einsatz seriennaher Wagen wie des 131 anstelle des abgehobenen Stratos dem Absatz förderlicher gewesen wäre... Zunächst fusionierten also die Rennabteilungen von Fiat und Lancia, die Squadra Rally fiel unter die Regie von Cesare Fiorio.

Die Marschrichtung war vollkommen klar: Von 1976 bis 1981 bestimmten tatsächlich die von Bertone gestalteten und von Abarth präparierten 210 bis 230 PS starken Limousinen das Geschehen. 1977, 1978 und 1980 kamen sie gar zu Weltmeisterehren. Doch auch die letzten Einsätze des 124ers im Jahr 1975 brachte einige bemerkenswerte Erfolge: Bei der TAP Rally Portugal (Markku Alen / Illka Kivimäki und Hannu Mikkola / Jean Todt auf den Plätzen Eins und Zwei), und bei der Rally San Remo (Zweite wurden Verini / Rosetti mit der inzwischen ausgereiften Einspritzung hinter Waldegaards Stratos). Und bei der Stuttgart-Lyon-Charbonnieres gingen beide ersten Plätze an Fiat: Maurizio Verini und Fulvio Bacchelli hatten das Rennen gemacht. Aber am Ende langte es doch nur zum zweiten Platz in der Marken-Wertung; Lancia lag vorn, Alpine Renault folgte dahinter auf dem dritten Platz.

Immerhin, Maurizio Verini / Francesco Rosetti wurden Europameister - mit Siegen bei der Costa Brava, der Stuttgart-Lyon-Charbonnieres, der Firestone-Rally, der Jugoslawien- und Polen-Rally. Und Cambiaghi / Sanfort konnten sich im Glanze des italienischen Meister-Titels sonnen.

Viel gerätselt wurde über das zukünftige Einsatzfahrzeug des Fiat-Konzerns: auto, motor und sport sagte dem bis zu 220 PS starken Abarth 019 Prototipo 2000 eine große Zukunft voraus, während eingefleischte Spider-Piloten am "herrlich driftenden 124 Abarth" (O-Ton Markku Alen) festhalten wollten. Doch das Werksengagement für den 124er endete im März 1976 und ging nahtlos über an den besagten zweitürigen 131, der in der Zivilversion 140 PS leistete, im Renntrimm mit Einspritzer-Maschine auf 210 PS kam.

In den Jahren 1977, 1978 und 1980 wurden damit Weltmeisterehren erreicht. Zum Saisonanfang 1976 war die Lackierung der Werksrenner neu festgelegt worden: Die dunkelblaue Grundlackierung und die gelben Kotflügel-Verbreiterungen und Streifen entsprachen den Farben des Fiat-eigenen Schmiermittel-Hersteller Oliofiat. Dieses Unternehmen arbeitete eng mit Abarth zusammen und bediente sich unter anderem eines hochgezüchteten Fiat-124-Motors, um Motorenöle gemäß den Bestimmungen des Coordinating European Council (CEC) zu optimieren.

Die aktivste Zeit der schnellen 124er aber war vorbei: 1976 waren die 16-Ventil-Einspritzer bei den ganz großen Rallys nicht mehr dabei., nachdem bei der RAlly Monte Carlo Markku Alen nur Sechster, Roberto Cambiaghi lediglich Achter und Maurizio Verini nur 15. wurde. Der Sieg ging - wie nicht anders zu erwarten - an den Lancia Stratos, der gleich alle drei ersten Plätze belegte - pilotiert von Sandro Munari, ex-Fiat-Fahrer Björn Waldegaard und ex-Alpine-Pilot Bernard Darniche. "Damit beendet ein Automobil seine sportliche Laufbahn, das ursprünglich Liebhabern schöner Autos und sportlicher Touristik zugedacht war", stapelte die Fiat-131-Rally-Pressemappe tief.

Später war insbesondere der Fiat-Händler Heinrich Unterholzer aus Schlanders in Südtirol noch lange mit teilweise abenteuerlichen Derivaten des 124er Abarth Rally auf den Bergpisten Europas zugange. Ein in der Gruppe 5 startender Zweiliter-Vierventiler-Prototyp (deutlich erkennbar am riesigen, außenliegenden Lufteinlaß) kam so auf 240 PS! Zumindest bei regionalen Rallys, Bergrennen und Slaloms wurden 124er Abarth und Serien-Spider eingesetzt.

1985 stellte Pininfarina, unter dessen Regie ab 1981 die Spider-Produktion laufen sollte, dem totip-Team zwei Spidereuropa zur Verfügung, die Mitte der Achtziger bei diversen Rallys in Italien starteten - tiefergelegt, stärker, aber aus Homologationsgründen nicht mit dem VX-Kompressor versehen. Die Glory days der 124er im Sport aber waren vorbei. Heute sind sie die Stars von Club- und Klassikerveranstaltungen beispielsweise bei den Treffen am Rande des Oldtimer Grand Prix auf dem Nürburgring. Wann wird es dort den ersten Sonderlauf geben? Bei englischen und italienischen Klassiker-Rennen sind sie jedenfalls bereits dabei, seitdem 1990 Waldegaard / Thorzelius auf einem CSA als Voraus-Fahrzeug (Startnummer 00) an der Elba-Rally teilnahmen. Beispielsweise bei der San Remo Rally Storico 1996 starteten gleich mehrere dieser Flitzer: bei der Tour de France war wenigstems ein Gruppe-4-CSA dabei.

Der Siegerwagen von Alen / Kivimäki bei der TAP Rally Portugal von 1975 (124CSA0078559) wurde übrigens Mitte 1995 für rund 100.000 Mark weiterveräußert. Zehn Jahre zuvor waren solche Renner noch für ganz kleines Geld zu haben: So wurde einem guten Freund des Autors Anfang der Achtziger ein Vierventil-Werksrenner im Tausch gegen seinen vielgelaufenen Golf 1 Diesel angeboten! Er ärgert sich heute noch, dass er nicht zugegriffen hat... Einige ganz wenige Werksautos überlebten in der Hand von Fiat-Insidern, die über Vertretungen oder Importgeschäfte verfügten. Die allermeisten anderen Werks-Renner waren aber verschrottet oder demontiert worden.
Quelle: Das Große Fiat Spider Buch - Eberhard Kittler, Heel Verlag, Königswinter | nach oben